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2023-02-15 17:12:32 By : Ms. Wanda Chen

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Berlin-Wedding, Nordufer 20, im Jahr 1900 bezog der Mediziner Robert Koch in diesem weinroten Backsteinhaus das Königlich- Preußische Institut für Infektionskrankheiten, nach ihm ist das Institut benannt, kurz RKI. Hinter Museumsglas: alte Präparate, ein Schutzanzug aus einem Hochsicherheitslabor, eine Scharlach-Zunge aus Kunststoff. Vor dem Hörsaal mahnt ein Exponat der Gegenwart: "Bitte vor dem Pressebriefing Hände gründlich waschen." Regelmäßig gab es hier zu Beginn der Corona-Pandemie einen Lagebericht. Vor blauer Stellwand, im blauen Anzug, mit ernster Miene: der Präsident des RKI, Lothar Wieler. Er wurde zu einem Gesicht der Pandemie. Nun tritt er überraschend ab und zieht zum ersten Mal öffentlich Bilanz. Wir sprechen im marmornen Mausoleum des Instituts mit ihm, auf bunten Stoffhockern vor der in die Wand eingelassenen Urne Robert Kochs sitzend.

DIE ZEIT: Herr Wieler, als Sie vorvergangene Woche bekannt gegeben haben, dass Sie Ihren Posten als Präsident des RKI vorzeitig aufgeben wollen, haben sich viele gefragt, ob Sie einem Rauswurf zuvorkommen wollten. War das so?

Lothar Wieler: Nein. Sowohl der Schritt als auch der Zeitpunkt waren meine persönliche Entscheidung. Die Pandemie ist offiziell nicht zu Ende – das kann nur die WHO entscheiden. Aber sie ist inzwischen beherrschbar. Ich kann guten Gewissens sagen: Ich bin sehr dankbar für die Zeit am RKI . Die Kolleginnen und Kollegen in diesem Institut sind über sich selbst hinausgewachsen und haben Großartiges geleistet, nicht nur in der Pandemie. Für mich ist das ein guter Zeitpunkt aufzuhören. Nach acht Jahren ist es gut, wenn jemand Neues übernimmt. Ich werde bald 62 und habe Lust, noch einmal etwas Neues zu machen.

ZEIT: Das klingt uns ein bisschen zu aufgeräumt. Es gab eine Menge Konflikte zwischen Wissenschaft und Politik, auch zwischen Ihnen als Wissenschaftler und Ihren jeweiligen Vorgesetzten, den Ministern Jens Spahn und Karl Lauterbach. Die Politik war auf die Wissenschaft angewiesen, und die Wissenschaft wurde enorm politisiert.

Wieler: Ja, und diese Vermischung halte ich für falsch. Als Jens Spahn und ich zusammen in der Bundespressekonferenz saßen, war das folgerichtig – weil man beide Rollen erkennen und trennen konnte. Meine Aufgabe als Wissenschaftler ist es, in Ruhe, unaufgeregt und sachlich Empfehlungen zu geben. Entscheiden muss die Politik. In der Öffentlichkeit wurden die Rollen von Wissenschaft und Politik manchmal vermischt, oder mir und dem RKI wurde eine Rolle zugewiesen, die wir nie hatten – und auch nicht wollten.

ZEIT: Waren Sie an dieser Vermischung auch beteiligt? Ein Beispiel: Am Anfang sagten Sie, der Schutz durch Masken sei nicht erwiesen. Später wurden Masken Pflicht. Sprach man dann mit Politikern, sagten die: Wir mussten das sagen, weil wir anfangs nicht genug Masken hatten. Haben Sie also Ihren Kopf für Spahn oder die Politik hingehalten?

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Wieler: Nein, das stimmt nicht. Vielmehr haben wir von Beginn an gesagt: Menschen, die krank sind, sollten Maske tragen. Anfangs lautete die Hypothese, dass dieses Virus nur durch kranke Menschen übertragen wird. Sie beruhte auf den Erfahrungen mit dem ersten Sars-Coronavirus, das wir aus der Pandemie 2002/03 kannten. Aber dann stellte sich heraus, dass ein relevanter Teil der Patienten das Virus schon vor Auftreten von Krankheitssymptomen ausscheidet. Damit war jedem Fachmann klar: Mist, wenn gesunde Menschen andere anstecken, kriegen wir das kaum noch in den Griff. Die Konsequenz war: Es ist sinnvoll, dass in bestimmten Situationen alle Maske tragen.

ZEIT: Damals klang das irrlichternd.

Wieler: Das mag sein. Viele Abläufe mussten sich zu Beginn einspielen, wahrscheinlich habe ich damals auch nicht optimal kommuniziert. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte: Mich haben während der Pandemie oft Menschen angerufen und um Rat gebeten. Mich fragte also jemand: Ich bin positiv getestet und in Isolation. Aber ich lebe allein und fühle mich nicht besonders krank. Kann ich mal rausgehen? Ich sagte: Das bestimmt das Gesundheitsamt. Aber wenn Sie allein im Wald spazieren gehen, können Sie eigentlich nichts anrichten. Was macht diese Person? Setzt sich in einen Bus und fährt in Richtung Wald. Daran sehen Sie, dass in neuen, für alle ungewohnten Situationen vieles, von dem man eigentlich annehmen sollte, es sei klar, noch deutlicher kommuniziert werden muss.

Ja, kommunikativ war manches leider suboptimal. Dennoch hat das RKI - im Rahmen seiner Möglichkeiten(!) - dazugelernt und einiges vollbracht. Wieler hat seinen Teil dazu beigetragen - mitunter bis hin zur Überlastung. Dafür gebührt ihm Dank!

Dem kann ich mich nur anschließen.

Dieser Mann hat meinen tiefsten Respekt.

Wieler: "Die Interpretation der Ergebnisse ist der entscheidende Aspekt. Manche Daten sind wichtiger als andere. Und diese Einordnung – was ist wirklich wichtig, also Priorität eins gegenüber Priorität zehn – erwarte ich von Medien. Insbesondere von Wissenschaftsjournalisten."

Ein wichtiger Aspekt, den Wieler hier anführt. Die meisten Medien haben sich viel zu wenig Mühe gemacht, die Daten richtig zu lesen, zu interpretieren und dem Leser dann wertfrei zu präsentieren. Da war immer viel Hysterie dabei!

Richtig ist, dass Schwurbler mit Professur die Daten für bestimmte Boulevardmedien mutwillig uminterpretiert haben - entgegen des weitgehenden wissenschaftlichen Konsenses tatsächlicher bereichsspezifischer Experten,

ZEIT: Sie sagten zu Beginn unseres Gesprächs, über das Ende der Pandemie entscheide die WHO. Die Pandemie ist also nicht vorbei?

Wieler: Nein, selbstverständlich nicht – schauen wir doch nur nach China. Auch uns wird das Sars-CoV-2 nicht mehr verlassen (...)

Hä? Pandemie wird doch nicht daran geknüpft, ob wir frei von den Viren sind, sondern ob die Viren gleichzeitig weltweit für eine Überlastung sorgen. Und das tut es nicht mehr --> Wieler irrt. Die Pandemie ist vorbei!

Du kannst natürlich deine exklusive Definition von "Pandemie" haben. Aber von "Überlastung" steht in den allgemein anerkannten Definitionen nichts, nur von "Verbreitung".

Habe Dr. Wieler nicht um seinen Job beneidet. Er wirkte in den Pressekonferenzen auf mich ernsthaft und appelierend. Fand ihn alles in allem vetrtrauenswürdig. Wünsche ihm viel Erfolg für deine neue Tätigkeit.

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